Einander frei entfalten lassen – Teil 1

Interview mit der Wetzlarer Neuen Zeitung vom 14.02.2020 zum Thema Paartherapie

Wie  definieren Sie eine „gute“ Liebesbeziehung?

Zuerst ist vielleicht die Frage „Was heißt überhaupt Liebe in diesem Zusammenhang?“ zu beantworten. Die reinste Form der Liebe ist eine ohne Erwartungen und Bedingungen, eine, die frei ist. Wie z. B. die Liebe zum eigenen Kind. Es ist für eine Paarbeziehung wichtig, dass ich nicht davon ausgehe, dass mein Partner für mich verantwortlich ist. Es geht darum, mich frei entfalten zu können und meinem Partner die Gelegenheit zu geben, sich frei zu entfalten. Das basiert wesentlich auf Freiheit, auf innerer Freiheit. Auf diese Weise kann ein wunderbares Gefühl von universeller Einheit entstehen, dass so nur in einer Partnerschaft erlebbar ist.

Wie definieren Sie eine „schlechte“ Liebesbeziehung?

Da gibt es verschiedene Abstufungen. Wenn ich erwarte, dass mein Partner für mein Glück verantwortlich ist, ist das eine schlechte Voraussetzung. Außerdem alles, was mich in meiner eigenen Entfaltung behindert, oder wenn ich als Partner meiner Partnerin vorenthalte, dass sie sich frei entfalten kann. Es kann  passieren, dass es zu psychischer und physischer Gewalt kommt. Dann muss ich sehen, wann der Punkt gekommen ist, an dem ich Hilfe finden oder ich mir sagen muss: „Das ist eine Partnerschaft, die tut mir nicht gut“.

Was sind typische Ursachen für einen Streit?

Eine typische Ursache ist  das Gefühl, nicht wahrgenommen zu werden und nicht wertgeschätzt zu werden. Dann kommen Anforderungen von außen hinzu, wie Geldsorgen oder Kindererziehung. Wobei man feststellen muss, dass diese Konflikte  häufig Stellvertreterkonflikte sind, bei denen nicht die Ursache angesprochen wird. Das kann entstehen aus dem generellen Gefühl der fehlenden Wertschätzung und dass man sich dann über Kleinigkeiten streitet, die es objektiv betrachtet gar nicht wert sind.

In diesen Kleinigkeiten spiegelt sich letztendlich ein deutlich größeres Problem wider. Diese Erkenntnis ist wichtig. Dem auf den Grund zu gehen und zu schauen, wo der Streit denn überhaupt herkommt, das kann eine Therapie leisten.

Was kann man tun, um Streit zu vermeiden?

Man muss sich darüber klar werden, was in diesem Moment gerade deutlich wird. Diese Konflikte genererell zu vermeiden, wäre nicht unbedingt konstruktiv, weil die Beziehung daran wachsen kann. Wenn man einen Konflikt nicht angeht, dann passiert nichts. Man würdigt letztendlich auch seine Beziehung, wenn man sich bereiterklärt, einen Konflikt konstruktiv zu klären, wenn nötig mit professioneller Unterstützung. Es gilt der tatsächlichen Ursache, z. B. häufig wiederkehrender Streits auf den Grund zu gehen.

Was sind die Hauptauslöser von Beziehungsproblemen?

Erstmal die normalen Krisen und Veränderungen, die das Leben mit sich bringt. Jede einzelne ist eine neue Herausforderung. Dann können auch Kindererziehung, Beruf, Verwandtschaft, Sexualität, Freizeitbeschäftigung, gesellschaftlicher Hintergrund und die Erwartung der Gesellschaft Konfliktherde darstellen. Geld ist mit Sicherheit auch ein wesentlicher Punkt, vor allem in einer Phase, in der man Schulden und  eine gewisse Abhängigkeit voneinander entwickelt hat; wenn  es darum geht, dass man sich im Moment nicht trennen kann, weil man nichts anderes hat – man sieht sich finanziell abhängig. Das ist ein Gefühl, das diesem Freiheitsgefühl entgegensteht.

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