Krisen machen vor niemandem halt. Wir können durch einen Verlust in eine schwere Krise geraten, z. b. Verlust des Arbeitsplatzes oder Verlust des Partners oder der Partnerin. Die Diagnose einer schweren Krankheit oder auch eine fortwährende und scheinbar nicht enden wollende Belastung können Krisen auslösen. Aber auch Informationen können Krisen auslösen wie z. B. das Fremdgehen des Partners oder andere tiefe Enttäuschungen durch Menschen, die uns nahe stehen.

Es ist möglich eine Krisenbewältigung in vier Phasen zu gliedern (Verena Kast (1989), Johann Cullberg (1978)). Gelingt es, alle vier Phasen bewusst zu durchleben, gelingt auch die Bewältigung des Erlebten und die Integration in unser Leben. Auf diese Weise können wir im Sinne eines posttraumatischen Wachstums sogar gestärkt aus einer Krise hervorgehen.

Die Phasen der Krisenbewältigung verlaufen selten chronologisch geordnet ab und können sich im Prozess der Bewältigung abwechseln. Gelingt es uns nicht, insbesondere die ersten beiden Phasen zu überwinden, ist es hilfreich, professionelle, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

1. Phase des „Nicht-wahrhaben-Wollens“

Als Trauma bezeichnen wir eine seelische Verletzung. Eine häufige Reaktion des Körpers auf ein Trauma, nämlich die Abspaltung der Gefühle in Situationen größter Gefahr, Bedrohung oder Trauer ist zunächst eine gesunde Schutzreaktion der Seele. Manchmal wollen wir nicht wahrhaben, was gerade passiert ist, dann leugnen wir das Geschehen an sich. Wir brauchen einfach Zeit, das Geschehene zu verarbeiten.

Diese erste Phase wird auch als Schockphase beschrieben in der Abstand zur Wirklichkeit gehalten wird, oder sogar eine Verleugnung der Realität stattfindet. Kennzeichnend ist eine starke Empfindungslosigkeit und eine Abspaltung des Schmerzes. Oft wird diese Phase begleitet von einem Gefühl der inneren Leere. Wir fühlen uns wie versteinert und haben den Eindruck, in einem schrecklichen Traum fest zustecken. Das Problem, der Tod oder auch eine todbringende Krankheit werden geleugnet. Diese Phase wird im nach hinein kaum erinnert und ihre Dauer variiert zwischen Stunden, Tage oder sogar Wochen. Im psychologischen Sinn wird die Situation als traumatisch erlebt.

In jedem Fall wollen wir in der ersten Phase nicht mit den Gefühlen in Kontakt kommen (Hilflosigkeit, Scham, Wut, Trauer, Ekel), die die traumatische Situation in uns verursacht hat. Wir sind sicher, dass dies existentiell bedrohlich für uns wäre. Verbleiben wir in dieser Phase, kann das was wir fühlen dennoch schrecklich und furchtbar sein. Dieses Gefühl entstammt aus einer Verzweiflung, die zum einen daraus entsteht, dass wir unbewusst glauben der eigentliche Schmerz des Traumas sei noch viel unerträglicher und existenzbedrohend. Und zum anderen, dass wir glauben uns vor diesem Schmerz schützen zu müssen, was sich als immer schwieriger gestaltet.

Der Ausweg ist, das tiefere Fühlen zuzulassen. Es wird unsere Existenz nicht bedrohen. Was uns dabei hilft, ist ein unzerstörbarer gesunder Anteil in uns (Ich will leben!). Gerade bei schweren Traumata ist zur Überwindung zu dem eine professionelle Begleitung unumgänglich und hilfreich.

2. Phase der aufbrechenden, chaotischen Emotionen

Für Cullberg ist dies die Reaktionsphase. Wir beginnen uns der schmerzlichen Tatsache zu stellen, wenden jedoch gleichzeitig unterschiedliche Abwehrmechanismen an, wie z. B. Verleugnung, Ausbildung einer Sucht oder Krankheit, Verdrängung oder Regression. Schmerz, Wut, Zorn, Freude, Angst vor Leben und Tod wechseln sich ständig ab und können nur sehr schwer kontrolliert werden. Schuldgefühle werden entwickelt und/oder wir beginnen damit, einen Schuldigen zu suchen. Eine Frage lässt uns nicht los und zwar: Warum ich? Wir entwickeln eine Anfälligkeit für Infektionskrankheiten und Schlafstörungen. Diese Phase ist für uns am schwersten zu ertragen, vor allem, weil die Gefühle, die wir nicht gewohnt sind und zuvor abgespalten hatten, nun wie eine Welle über uns zusammen stürzen. Und doch ist es in dieser Phase äußerst wichtig, das Chaos und Wechselbad der Gefühle auszuhalten und nicht zu verdrängen. Auf diese Weise gelingt eine Bewältigung. Das Erregungspotential erreicht in dieser Phase ihren Höhepunkt. Versteht man, wie Kast, die Krisenbewältigung als einen schöpferischen Prozess, spricht man an dieser Stelle auch von einem schöpferischen Sprung (Kast 1989).

3. Phase des Suchens, Findens, und Sich Trennens

Für Cullberg stellt dies die Bearbeitungsphase dar und wir beginnen uns von alten Bedürfnissen zu lösen. In Trauerprozessen um Verstorbene wird in dieser Phase die „Funktion“ des Verstorbenen definiert. Wir beginnen den Verlust für uns zu ersetzen. Man könnte diese Zeit auch als Einsichtsphase beschreiben, in der wir den Sinn des Geschehens zu verstehen beginnen und sogar bei Erinnerungen an den Verlust nicht nur die hinterlassenen Lücke, sondern auch eine gewisse Zufriedenheit über gemeinsames Erleben erfahren. Wir beginnen den Verlust zu akzeptieren und gewinnen die Eigenverantwortung für unser Leben zurück. Sowohl Freude wie auch Erleichterung werden wieder bewusst empfunden.

4. Phase des Neuen Selbst- und Weltbezuges

Dies entspricht bei Cullberg der Neuorientierungsphase, in der der Verlust durch neue Objekte oder Personen ersetzt wird. Wir öffnen uns neu unserer Umwelt und lassen den Schmerz los. Es entstehen neue Werte für uns und neue, meist tiefere Beziehungen werden geschlossen. Der Wunsch nach Nähe wird spürbar, gleichzeitig entwickeln wir einen Bedarf nach Abstand und sogar Autorität. Neue Verhaltensweisen und Einsichten werden im Leben ausprobiert.

5. Ausblick

Das Überwinden der zweiten Phase, als Höhepunkt der Krisenbewältigung, stellt einen entscheidenden Punkt dar. Er erfordert zu dem viel Kraft. Doch auch im weiteren Verlauf ist das Erleben der einzelnen Phasen alles andere als einfach. Und spätestens in der vierten Phase erlauben sich viele Menschen nicht, die neu gewonnenen Erkenntnisse und Einblicke in ihrem Leben bewusst und sichtbar werden zu lassen. Der persönliche Reifungsgewinn wird sich nicht erlaubt und kollidiert mit dem Verlustschmerz und oder gesellschaftlichen Erwartungen. Und doch zeigt sich gerade hier, ob eine Krise als Chance für eigene Entwicklung wahrgenommen werden kann. Ob wir es uns erlauben, einer tiefen und schmerzhaften Krise in unserem Leben einen Sinn geben zu können. Ziel sollte es sein, sich selbst die Frage zu stellen: Zu welcher persönlichen Entwicklung fordert mich diese Krise heraus?

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